Obwohl die Fußball-EM von den Regierungen Polens und der Ukraine als erfolgreiches gesellschaftliches Ereignis angesehen wurde, hält sich doch der erhoffte wirtschaftliche Nutzen in Grenzen. Zwar stiegen die Einnahmen durch den Tourismus in dieser Zeit an, allerdings hat auch allein Polen rund 25 Milliarden Euro für EM-Vorbereitungen investiert. Dagegen stehen Mehreinnahmen von rund 400 Millionen Euro, was circa ein Prozent des polnischen BIP von 2011 ausmacht. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat errechnet, dass der Effekt für das Wirtschaftswachstum während der Fußball-WM vor sechs Jahren in Deutschland gerade mal bei 0,02 Prozent des Bruttoinlandsprodukts lag. Damit wurde, damals wie heute, der wirtschaftliche Nutzen dieser Meisterschaften für die Gastgeberländer weit überschätzt. Liegen Feiertage wie Weihnachten, Neujahr oder Ostern auf einem Wochenende, so dass weniger Arbeitsfreie Tage anfallen, kurbelt dies die Konjunktur wesentlich stärker an. Langfristig profitieren die Gastgeberländer eher indirekt; zum Beispiel durch den Ausbau der Infrastruktur, oder aufgrund der gestiegenen Bekanntheit des Landes.
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Deutsch-Polnischer Journalistenpreis vergeben
Der inzwischen zum 15. Mal vergebene Deutsch-Polnische Journalistenpreis ging in diesem Jahr an die Autoren der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, an Journalisten der ARD und an Radio „Koszalin“. Für die Frankfurter Allgemeine gewann Konrad Schuller mit seinem Beitrag über „Der neue Schlesier“, der die Entwicklung eines neuen Bewusstseins für die Region zum Thema hatte und für viel Aufregung bei deutschen und polnischen Traditionalisten gesorgt hatte. In der Kategorie Fernsehen gewann die Reportage von Markus Frenzel vom ARD-Magazin „Fakt“. Der Beitrag „Löcknitz: Zuwanderungsparadies und NPD-Hochburg“ zeigt die Bewohner der vorpommerischen Kleinstadt Löcknitz, die direkt an der Grenze zu Polen liegt. Während dort einerseits zehn Prozent der Einwohner Polen sind, wählen gleichzeitig rund 20 Prozent der Wähler die NPD, die sich gegen Ausländer engagieren. Auch den Wohnort als Bindeglied zwischen verschiedenen Menschen, hat sich die polnische Journalistin Jolanta Rudnik für ihren Radiobeitrag „Tutaj, here, hier“ zum Thema gewählt. Damit gewann sie in der Kategorie als beste Radiosendung. Ministerpräsident Erwin Sellering lobte in einer Ansprache den Beitrag der polnischen und deutschen Journalisten für die Verbesserung der polnisch-deutschen Beziehungen. Leider fand die Verleihung in der Mecklenburger Landeshauptstadt Schwerin in so kleinem Rahmen statt, dass die Einwohner Schwerins davon nicht viel mitbekamen. Für eine Veranstaltung, deren Intention die Verbesserung des Verhältnisses zwischen Nachbarländern ist, besteht diesbezüglich noch Nachbesserungsbedarf. Im nächsten Jahr findet die Vergabe des Journalistenpreises im polnischen Breslau statt.
Priesterexport aus Polen
Trotz allmählicher Abkehr von der Kirche, hat Polen noch immer eine große katholische Gemeinde, zu der – zumindest auf dem Papier – fast 95 Prozent aller Polen gehören. Gleichzeitig sinkt die Zahl der registrierten Katholiken in den meisten anderen europäischen Ländern rapide, so dass immer mehr Gemeinden zusammen gelegt und Kirchen geschlossen werden müssen. Das führt auch zu einer Reduzierung der Priesterausbildung in den betroffenen Ländern. Einerseits lässt sich nur schwer einschätzen, wie viele Pfarrer in den kommenden Jahrzehnten dort gebraucht werden, andererseits schwindet die Bereitschaft junger Menschen, sich den mit dieser Aufgabe verbundenen Einschränkungen zu unterwerfen. Deshalb sind viele Diözesen dazu übergegangen, erfahrene Priester aus Polen zu engagieren. Tatsächlich sind einige Länder bereits von der Unterstützung aus Polen abhängig. „Ohne importierte Priester würden etliche österreichische Pfarren nicht funktionieren, weil es zu wenig Priester gibt“, erzählt der Rektor der Ordensgemeinschaft der Resurrektionisten, Krzysztof Kasperek, aus der Polnischen Katholischen Mission in Wien. Allein in der Österreichischen Hauptstadt leben und arbeiten 120 polnische Priester. Kasperek ist einer von ihnen. Seit zwanzig Jahren wirkt er in Österreich. Kasperek: „In Polen gibt es noch eine andere katholische Tradition und Kultur, die Priesterberufungen begünstigt“, erklärt er. Trotz teilweise vorhandener sprachlicher Hürden empfinden er und seine Kollegen die Arbeit im Ausland als Bereicherung. Berührungsängste der Gemeindemitglieder sind selten. Viele der einheimischen Kirchengänger empfinden die Messen der polnischen Pfarrer lebendiger, als die ihrer Landsleute, was wohl eine Folge der selbstverständlicheren Religiösität in Polen ist.
Gesellschaftlicher religiöser Wandel
Große Gesellschaftliche Veränderungen führen häufig dazu, dass sich ein Teil der davon betroffenen Menschen verstärkt traditionellen Bräuchen und Riten zuwendet, um Halt und Sicherheit in der sich ändernden Welt zu finden. Seit 1989 das Bürgerkomitee Solidarność in Polen die ersten freien Wahlen nach der Auflösung des kommunistischen Regimes gewann, hat sich in Polen viel verändert. Das Land bekam eine neue Verfassung, schaffte den Weg in die freie Marktwirtschaft und ist seit 2004 Mitglied der EU. Nicht alle der Änderungen werden als positiv empfunden, denn nicht nur die wirtschaftlichen, auch die zwischenmenschlichen Beziehungen, die Denkweise und Geisteshaltung der Menschen in Polen unterliegen einem Wandel, mit dem nicht jeder zurecht kommt. Das führt einerseits zu einer allmählichen Abkehr tradierter religiöser Moralvorstellungen, andererseits aber auch zur Radikalisierung einzelner Gruppen. So kommt es, dass zwar die Zahl der Menschen die Glauben praktizieren sinkt, gleichzeitig jedoch fast vergessene Rituale wieder mehr Zulauf bekommen. Teufelsaustreibungen zum Beispiel, die eigentlich seit Jahrhunderten nur noch als Randerscheinung des christlichen Glaubens galten, ziehen in Polen immer mehr Menschen an. Arbeiteten hier noch vor zehn Jahren kaum mehr als ein Dutzend Exorzisten, sind es heute schon über einhundert. Stanislaw Deszcz, der selbst seit vier Jahren als Exorzist tätig ist, hält in gewisser Weise auch die Abkehr vom Glauben für den Hauptgrund des verstärkten Bedarfs an Teufelsaustreibern: „Wo der Glaube schwächer wird, bekommt das Böse einen größeren Einfluss auf das Leben. Die Kirche weiß das, deshalb wird das Exorzismusgebet neu entdeckt. In Polen gibt es kaum eine Diözese ohne Exorzisten. In manchen arbeiten sogar acht Priester. Zum letzten Exorzistentreffen in Tschenstochau kamen Gäste aus Frankreich, aus Österreich und aus Deutschland.“ Viele Menschen haben ein Bedürfnis nach Mythen und Wundern, für das sie sich jedoch nicht mehr in das starre Korsett kirchlicher Dogmen zwängen möchten. Okkulte Praktiken, Wahrsagerei, Hexerei und alle Arten von Magie, beleben nicht nur die Film- und Literaturszene, sondern bekommen auch im realen Leben immer mehr Zulauf. Rund 500 Millionen Euro geben die Menschen in Polen allein für Wahrsager und Kartenleger aus – eine Entwicklung, der die katholische Kirche gern entgegen steuern möchte. Magische Praktiken öffneten dem Teufel „Tür und Tor“, mahnen katholische Priester an. Verzögern oder gar verhindern werden sie die Zersplitterung religiöser Gemeinschaften damit nicht. Im Gegenteil. Auch das stärkere Interesse für Rituale wie Heilungsmessen und Teufelsaustreibungen sind Teil der Entfremdung von großen monotheistischen Religionen und die Hinwendung zu individueller Religiosität.
Dämpfer für Schiefergas-Hoffnungen
Der polnische Enthusiasmus über die Energie-Erzeugung mit heimischen Schiefergas, bekam jetzt einen Dämpfer. Als Schiefergas werden Gasvorkommen bezeichnet, die in einigen Kilometern Tiefe in Gesteinsschichten eingeschlossen sind. Erste Probebohrungen hatten ergeben, dass davon in Polen größere Vorkommen vorhanden sind. Daraus abgeleitete Hochrechnungen ergaben, das bis zu fünf Billionen Kubikmeter Erdgas in Polen lagern könnte. „Meine Generation wird es noch erleben, dass Polen unabhängig von russischen Lieferungen sein wird“, kündigte Regierungschef Donald Tusk, nach Bekanntwerden der Zahlen an. Er hoffte, dass Polen sich zeitnah selbst versorgen und dadurch von russischen Gasimporten unabhängig werden würde. Genauere Untersuchungen haben inzwischen jedoch ergeben, dass sich das Gesamtvorkommen auf maximal ein Drittel der erhofften Menge beläuft und davon nur ein Teil – Experten gehen von 20 bis 50 Prozent aus – gefördert werden kann. Auch ökologische Probleme bringt der Abbau von Schiefergas mit sich, da die einzig bekannte Abbaumethode große Mengen Grundwasser verseucht und die Erdbebengefahr erhöht. Trotzdem hofft die Regierung, alle Probleme zu lösen und in drei Jahren das erste Schiefergas fördern zu können.