Polen Blog

Gesellschaftlicher religiöser Wandel

Große Gesellschaftliche Veränderungen führen häufig dazu, dass sich ein Teil der davon betroffenen Menschen verstärkt traditionellen Bräuchen und Riten zuwendet, um Halt und Sicherheit in der sich ändernden Welt zu finden. Seit 1989 das Bürgerkomitee Solidarność in Polen die ersten freien Wahlen nach der Auflösung des kommunistischen Regimes gewann, hat sich in Polen viel verändert. Das Land bekam eine neue Verfassung, schaffte den Weg in die freie Marktwirtschaft und ist seit 2004 Mitglied der EU. Nicht alle der Änderungen werden als positiv empfunden, denn nicht nur die wirtschaftlichen, auch die zwischenmenschlichen Beziehungen, die Denkweise und Geisteshaltung der Menschen in Polen unterliegen einem Wandel, mit dem nicht jeder zurecht kommt. Das führt einerseits zu einer allmählichen Abkehr tradierter religiöser Moralvorstellungen, andererseits aber auch zur Radikalisierung einzelner Gruppen. So kommt es, dass zwar die Zahl der Menschen die Glauben praktizieren sinkt, gleichzeitig jedoch fast vergessene Rituale wieder mehr Zulauf bekommen. Teufelsaustreibungen zum Beispiel, die eigentlich seit Jahrhunderten nur noch als Randerscheinung des christlichen Glaubens galten, ziehen in Polen immer mehr Menschen an. Arbeiteten hier noch vor zehn Jahren kaum mehr als ein Dutzend Exorzisten, sind es heute schon über einhundert. Stanislaw Deszcz, der selbst seit vier Jahren als Exorzist tätig ist, hält in gewisser Weise auch die Abkehr vom Glauben für den Hauptgrund des verstärkten Bedarfs an Teufelsaustreibern: „Wo der Glaube schwächer wird, bekommt das Böse einen größeren Einfluss auf das Leben. Die Kirche weiß das, deshalb wird das Exorzismusgebet neu entdeckt. In Polen gibt es kaum eine Diözese ohne Exorzisten. In manchen arbeiten sogar acht Priester. Zum letzten Exorzistentreffen in Tschenstochau kamen Gäste aus Frankreich, aus Österreich und aus Deutschland.“ Viele Menschen haben ein Bedürfnis nach Mythen und Wundern, für das sie sich jedoch nicht mehr in das starre Korsett kirchlicher Dogmen zwängen möchten. Okkulte Praktiken, Wahrsagerei, Hexerei und alle Arten von Magie, beleben nicht nur die Film- und Literaturszene, sondern bekommen auch im realen Leben immer mehr Zulauf. Rund 500 Millionen Euro geben die Menschen in Polen allein für Wahrsager und Kartenleger aus – eine Entwicklung, der die katholische Kirche gern entgegen steuern möchte. Magische Praktiken öffneten dem Teufel „Tür und Tor“, mahnen katholische Priester an. Verzögern oder gar verhindern werden sie die Zersplitterung religiöser Gemeinschaften damit nicht. Im Gegenteil. Auch das stärkere Interesse für Rituale wie Heilungsmessen und Teufelsaustreibungen sind Teil der Entfremdung von großen monotheistischen Religionen und die Hinwendung zu individueller Religiosität.

Dämpfer für Schiefergas-Hoffnungen

Der polnische Enthusiasmus über die Energie-Erzeugung mit heimischen Schiefergas, bekam jetzt einen Dämpfer. Als Schiefergas werden Gasvorkommen bezeichnet, die in einigen Kilometern Tiefe in Gesteinsschichten eingeschlossen sind. Erste Probebohrungen hatten ergeben, dass davon in Polen größere Vorkommen vorhanden sind. Daraus abgeleitete Hochrechnungen ergaben, das bis zu fünf Billionen Kubikmeter Erdgas in Polen lagern könnte. „Meine Generation wird es noch erleben, dass Polen unabhängig von russischen Lieferungen sein wird“, kündigte Regierungschef Donald Tusk, nach Bekanntwerden der Zahlen an. Er hoffte, dass Polen sich zeitnah selbst versorgen und dadurch von russischen Gasimporten unabhängig werden würde. Genauere Untersuchungen haben inzwischen jedoch ergeben, dass sich das Gesamtvorkommen auf maximal ein Drittel der erhofften Menge beläuft und davon nur ein Teil – Experten gehen von 20 bis 50 Prozent aus – gefördert werden kann. Auch ökologische Probleme bringt der Abbau von Schiefergas mit sich, da die einzig bekannte Abbaumethode große Mengen Grundwasser verseucht und die Erdbebengefahr erhöht. Trotzdem hofft die Regierung, alle Probleme zu lösen und in drei Jahren das erste Schiefergas fördern zu können.

Referendum gegen umstrittene Rentenpläne abgelehnt

Das polnische Parlament hat am vergangenen Freitag den Antrag der Gewerkschaft, für ein Referendum der Rentenpläne abgelehnt. Bei 41 Enthaltungen stimmten 180 Abgeordnete dafür und 233 dagegen. Währenddessen demonstrierten Zehntausende in Warschau gegen die Erhöhung des Renteneintrittsalters. Die Diskussion um die Rente hat in Polen zu heftigen Debatten geführt. Die Gewerkschaft wirft der amtierenden Regierung fehlende soziale Kompetenz vor und wird in ihrem Widerstand gegen die geplante Änderung von der Opposition unterstützt. „Auf die Frage, wie man leben soll, antwortet die Regierung: kurz“, kritisierte Leszek Miller, der SLD-Vorsitzende im Sejm. Regierungschef Donald Tusk verteidigt dagegen seine Rentenpläne wegen des demografischen Wandels als unvermeidlich. Tusk: „Wir müssen uns um die Generation kümmern, die in 30 Jahren in Rente geht“. Derzeit liegt das Renteneintrittsalter in Polen für Frauen bei 60 und für Männer bei 65 Jahren. In diesem Monat soll der von der Regierung vorgelegte Gesetzentwurf im Kabinett diskutiert werden, bevor er im Anschluss zur Abstimmung im Parlament eingereicht wird.

Anklage im Fall geheimer CIA-Gefängnisse in Polen

Die polnische Regierung bestreitet offiziell weiterhin, dass es in Polen geheime Gefängnisse der CIA gäbe. Trotzdem ermittelt derzeit die polnische Staatsanwaltschaft, ob es nach den Anschlägen des 11. September illegale Inhaftierungen mutmaßlicher Al-Kaida-Terroristen in Polen gab. Am Ende der Regierungszeit von Präsident George W. Bush war bekannt geworden, dass der US-amerikanische Geheimdienst über viele Jahre lang Verdächtige in geheimen Gefängnissen weltweit festgehalten und gefoltert hatte, bevor sie in das berüchtigte Militärgefängnis Guantanamo überstellt wurden. Auch in Polen sollen sich illegale CIA-Gefängnisse befunden haben. Jetzt hat die polnische Staatsanwaltschaft Anklage gegen den früheren Chef des polnischen Geheimdienstes, Zbigniew Siemiatkowski erhoben der, falls sich der Verdacht bestätigt, von den illegalen Verhaftungen und Folterungen Kenntnis gehabt haben muss. Auch gegen seinen früheren Stellvertreter, Andrzej Derlatka, der die Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Geheimdienst leitete, wird inzwischen ermittelt. Der damalige Regierungschef, Leszek Miller leugnet weiterhin, von einer solchen Vorgehensweise gewusst zu haben. Miller: „Soweit ich weiß, und wie ich schon viele Male gesagt habe, gab es keine CIA-Gefängnisse in Polen“. Die Ergebnisse der Ermittlungen, die seit 2008 in Polen laufen, sprechen jedoch eher dafür. Auf eine Unterstützung der aktuellen US-Regierung kann die polnische Staatsanwaltschaft jedoch nicht bauen, da Präsident Barack Obama detaillierte Untersuchungen ablehnt.

Neue nationalkonservative Partei gegründet

In Polen wurde eine weitere Partei gegründet. „Solidarisches Polen“ heißt die neue nationalkonservative Partei, die sich inhaltlich kaum von der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) unterscheidet. Die Neugründung ist die Folge der Spaltung der PiS im vergangenen Jahr, was größtenteils aufgrund wachsender Differenzen mit Parteiführer Jaroslaw Kaczynski, zustande kam. „Wir beginnen heute den Weg zum Sieg der polnischen Rechten“, erklärt Zbigniew Ziobro, einer der Führer, auf dem Gründungskongress in Warschau. „Die Idee zweier Lungen der politischen Rechten ist schlecht, wer diesen Weg gehen will, geht den Weg der Niederlage“, kritisiert dagegen Kaczynski. Die neue Partei beherbergt jedoch fast alle Politiker, die zuvor in der PiS eine Schlüsselrolle im Wahlsieg vor sechs Jahren gespielt hatten. Ob das für den Erfolg der neuen Partei reicht, bleibt abzuwarten. Die Partei für „Recht und Gerechtigkeit“ geht jedoch geschwächt aus dieser Spaltung hervor.